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Skunks on tour – Bericht eines Finalreisenden DFB Pokafinale Berlin 2009 Bayer Leverkusen: Werder Bremen

31 Mai 2009

(Author Ulli alias Erik M.) Es ist Donnerstag. 17.00 Uhr. Die ganze Woche schon habe ich diesem Tag entgegengefiebert. Endlich nicht mehr lange arbeiten, endlich rückt das Endspiel näher. Um 17.30 trifft Chris bei mir ein, der in der Nacht vor der Fahrt nach Berlin bei mir pennen wird. Eigentlich wollte ich jetzt Feierabend machen. Aber nein, es ist natürlich kurz vor Toresschluss wieder super hektisch. Also wird es erst 18.10, als ich mich endlich endlich auf den Heimweg machen kann. Schnell das Auto aus der Autopflege geholt (hatte es extra für den Pokalsieg mal fein machen lassen…)…ab nach Hause…einkaufen für die Fahrt…langsam sollte ich mal packen…außerdem will ich ja früh ins Bett, schließlich geht es Freitag früh um 5 Uhr los…abends noch schnell Musik-CDs zusammengestellt…Schals rauslegen, Fahnen holen, Trikots suchen, Auto dekorieren…fertig…jetzt ne Pizza bestellen. Schlafen? Nein, hat keinen Sinn, ich bin total aufgedreht. Lass uns noch was Playstation spielen. Beide Rennen bei GT4 verliere ich mit großem Abstand. Beschließe dass Autorennenspiele s****e sind. Musikzusammenstellung fertig, komm, lass mal brennen…s******se, das Format spielt mein Autoradio nicht…nächster Veersuch, wieder gescheitert. Mittlerweile ist es längst Mitternacht durch und echte Panik steigt in mir hoch. Ich will diese Musik im Auto! Der letzte Versuch gelingt dann endlich, das Format nimmt mein Autoradio an. Chris, gehn wir jetzt ins Bett? Ja, komm, lass mal ins Bett gehen. Uhrzeit? Ca 1.30…ich liege im Bett und all die Aufgekratztheit ist noch da. Wieso können wir nicht jetzt schon losfahren? Es gelingt mir nicht, einzuschlafen. Ich wälze mich hin und her. Irgendwann fallen mir doch die Augen zu. Kurz darauf klingelt der Wecker. Gefühlt habe ich vielleicht 10 Minuten geschlafen, ne Stunde wirds dann wohl gewesen sein. Nicht die besten Voraussetzungen, wenn man selbst am Steuer sitzen muss. Aber ich bin so voll mit Adrenalin, ich bin so geil auf diese Tour, ich bin kaum müde.

Also geht es los, rein ins Auto, endlich auf zum Treffpunkt an der A 3. Dort stehen schon zwei der drei anderen Fahrzeuge incl. Besatzungen. Gut gelaunt trotz früher Uhrzeit. Ich stelle fest, dass meine Befürchtung, wir bummeln nach Berlin unbegründet sein wird, ich habe das am schwächsten motorisierte Auto der Kolonne. s******segal, wir kommen schon an. Mein Handy klingelt. Wagen vier. “Wir sind gleich da, wir mussten nochmal umdrehen, hatten was vergessen?” “was denn?” “die Tickets” Weia. Pokalfinale und der vegrisst fast die Tickets. Gut, dass er das hier noch gemerkt hat. Reflexartig überprüfe ich, ob ich die anderen Karten dabei habe. Alles ist gut, die Karten sind da. Endlich endlich geht es los. Wir steigen in unsere Autos und begeben uns auf die Autobahn. Endlich. Schwer zu beschreiben, aber es ist ein gutes Gefühl, dass es nun losgeht. Unspektaktulär beginnt die Fahrt, aber schon ziemlich früh erregen wir Aufsehen bei den anderen Autofahrern. Schliesslich ist unser Ziel in jedem Auto klar erkennbar…”wir sind nur kurz was abholen”…Wuppertal, Hagen, Dortmund ziehen an uns vorbei. Wechselnde Führungsarbeit, mit vier Autos Kolonne klappt auch hervorragend, wir verlieren uns nicht aus den Augen. Dann ist am Kamener Kreuz die A 2 erreicht. Noch kein Schild “Berlin”, aber zumindest “Hannover” – die Richtung stimmt. Wir ziehen durchs Westfälische, begegnen ersten anderen Bayerfans, die sich offenbar auch schon sehr sehr früh auf den Weg gemacht haben…irgendwann rückt das nichts näher, Bielefeld…irgendwo vor Bielefeld treffen wir auf einen fröhlichen Luxemburger Toyota. Kleinwagen. Besetzt mit 5 Leuten fahren die nach Berlin. Respekt. Wo haben die denn ihr Gepäck gelassen? Im Stau hinter Bielefeld treffen wir uns dann wieder. Bei uns wird nach einigen Bieren der fiese Friese gereicht, im Luxemburger Auto kreisen Becksflaschen. Ein Stau ist was feines. Spurverengung, wir rücken nah aneinander, feinen Friesen in Becher gefüllt, Fenster runter und “zack” – die Luxemburger denken mit. Der Friese wird gegriffen, ein Becks wandert zurück, Völkerverständigung auf der Autobahn. LEV6

Weiter gehts Richtung Osten. Der Stau löst sich auf, wir fahren den ein oder anderen Rastplatz an, Wagen vier fährt ganz ab, es muss bitte ein McDonalds sein. Hannover rückt näher, bald liegt es hinter uns. Die Grenze rückt näher. Helmstedt. Wir fahren ab. Mist. Hier wollen wir doch gar nicht hin. Die Gedenkstätte ist doch eine Ausfahrt weiter. Also Marienborn. Wieder raus. Wieder halt. Das erste Gruppenfoto entsteht, der erste Bremer wird gesichtet. Die Touristen aus den umstehenden Bussen glotzen doof. und jetzt? Komm, los, weiter, ich will nach Berlin. Wo wir jetzt schon so nah sind…irgendwo vor Magdeburgh begegnet uns endlich die langersehnte Teldafaxwerbung. Irgendwie ein gutes Gefühl, das Ding da zu sehen. Die km-Angabe auf den Entfernungsschildern bei Berlin wird immer geringer. Perfekt. A 2 wird zur A 10, Nuthethal, Werder, Potsdam…wenn Du 12 mal in Berlin warst, hat das was von coming home…in Michendorf eine letzte Rast und dann endlich endlich…

Berliner Ring, die Avus…Wagen vier düst ab, er muss zwei Leute zum Hostel bringen, Fahrer und Beifahrer sind sich dafür zu fein und nächtigen im Hotel. Aber gut, für lau…wer sagt da schon nein…an der Avus trennt sich dann auch Wagen eins von Wagen zwei und drei…offenbar zeigen unsere Navigationsgeräte unterschiedliche Routen an. Vorbei an Funkturm und Messe geht es dann Richtung Osten. Ab von der Autobahn, dem Navi gefolgt, direkt in den Stau. Fluchen. Ehrgeiz macht sich breit. “s****e, die andern sind bestimmt viel früher da als wir”. Der Flughafen Tempelhof entschädigt nur unwesentlich, aber immerhin, wir waren schonmal da. Der Stau scheint nicht aufzuhören, alos Navi umprogrammieren auf Nebenstraßen. Bedingt hilft das, ein Stadtplan wäre aber noch hilfreicher gewesen. Aber schön wars dennoch. Spannend zu sehen, wie unterschiedlich Berlin aussieht…einmal quer durch Kreuzberg…von schön bis Kottbusser Tor…über die Spree…wieder schickt uns das Navi eine seltsame Schleife. Autofahrer am Straßenrand werden von uns fröhlich begrüsst. Klopfen an die Scheibe…die Scheibe geht runter…”kennen wir uns?” “nö” “wieso klopfen Sie dann?” “nur so” LEV18

nach der letzten Schleife haben wir es dann endlich geschafft, das Hostel rückt in Sichtweite…und was ist das da für ein Auto vor uns? Wagen eins…zeitgleich mit uns angekommen…andere Route, auf die Sekunde die gleiche Zeit…faszinierend. Es ist halb zwölf. So mehr oder weniger. Zimmer beziehen ab 16 Uhr möglich. Rein ins Hostel…der erste Eindruck? “Oha, in welcher Alternativenhöhle sind wir denn hier gelandet? Wie sehen denn die Leute alle aus? Wieso hat die an der Rezeption so verfilzte Haare?” – die Blicke der Gäste im Hostel strahlen ähnliche Begeisterung aus…”oh Gott, Fussballasis”…der Kopf zweier Damen sinkt auf die Tischplatte, als wir reinkommen…hey, hier werden wir uns wohlfühlen…Gepäck einlagern geht auch nicht, Top-Start…aber immerhin, sie haben Bier…also gönnen wir uns erstmal einen Drink…überlegen auf der Straße draussen, was wir nun tun…gut, wenn man vorher schonmal da war…Tarek wird zum Ziel, Berlins freundlichster Dönermann mit dem leckersten Döner. Gut, man hätte jetzt einfach die Straße durchgehen können, aber diejenigen, die beherzten Schrittes vorweg gingen, wollten uns noch einmal die unfassbare Schönheit des Stadtteils schenken…ein kleiner Rundgang…was solls…bei Tarek is lecker, Bier hat er auch…in die Zimmer können wir nicht, also machen wir jetzt hier unser lange überfälliges Fanclubmeeting…ein Mitglied wird rausgewählt, zwei Mitglieder werden reingewählt, der Vorstand wird wiedergewählt – wir haben uns alle lieb 

Irgendwann geht es dann wieder zurück ins Hostel. Hier ist es dann wie auf einem untergehenden Schiff…Frauen und Kinder zuerst…das erste Zimmer kann bezogen werden…passenderweise logieren unsere Mädels direkt neben dem Raum mit den Waschmaschinen. Nur ein Zufall? Die Zeit, die noch vergeht, bis die männlichen Skunks ihre Zimmer beziehen können, wird noch mit dem ein oder anderen Bier in der Nachmittagssonne effektiv genutzt, dabei wird die Aussicht auf frisch eingetrudelte Holländerinnen genossen, schön, dass es so warm ist.

Gegen vier Uhr – wer hat eigentlich den blöden Spruch mit „kein Bier vor vier“ erfunden? Der stimmt ja gar nicht… – werden die restlichen Zimmer geentert. Eine erste kleine Schwächephase macht sich bemerkbar. Kraft tanken für den Abend…viel Zeit dafür bleibt allerdings nicht, denn bereits um 18 Uhr ist ein Tisch in der Stäv reserviert. Da noch weitere Fanclubmitglieder in der Einflugschneise sind, macht sich Teil eins auf den Weg in Richtung Stäv, Teil zwei wird irgendwann nachkommen. Der Blick aus dem Bahnhof Friedrichstr. Auf das Spreeufer verspricht gute Laune…viel schwarz-rot, kein grün-weiß. Ernüchterung beim Eintritt in die Stäv…warum zur Hölle steht hier ein Geißbock rum? Die Frage, was passiert, wenn man da Gläser reinwirft, wird mit einem Achselzucken von der noch recht entspannten Kellnerin beantwortet…die Frage nach den Getränken ist auch schnell geklärt…das erste Pittermännchen kommt auf den Tisch. Weitere Gäste trudeln ein, als VIP begegnen wir nach langer Zeit endlich wieder einem unserer Gründungsmitglieder, mit dem wir schon so manchen legendären Abend verbracht haben, wenn auch meistens in einer Cocktailbar. Einerlei, die Stimmung ist gut, die ersten Kölsch fliessen fröhlich die Kehle hinunter, man sieht immer wieder neue bekannte Gesichter, die auf ein Bier vorbeikommen. Manche bleiben auch etwas länger. Das Pittermännchen droht zum Verlustgeschäft zu werden. Das zweite Pittermännchen entwickelt sich dann zum Springbrunnen der guten Laune…immerhin ist es so positioniert, dass es samt und sonders andere Gäste trifft, aber keinen aus unseren Reihen. Und es hinterlässt einen entnervten Kellner, dem die Angelegenheit sichtlich peinlich ist…da aber der zweite Versuch durch einen Kollegen mit einem neuen Fass dann gelingt, steht der erfolgreichen Fortsetzung des Abends nichts mehr im Wege. Essen wird gebracht und vertilgt, manches wieder aufgewärmt, weil man vor lauter Gesprächen gar nicht zum Essen kommt, ein drittes Pittermännchen wird geöffnet. Ein Teil der Gruppe verlässt uns – es ist noch hell und es fällt tatsächlich das Wort „Sightseeing“. Freitag abend? Nun gut, wenn man Berlin noch nicht so kennt…man kann es verstehen…da die restliche Truppe aber darauf weniger Lust verspürt bleibt sie zunächst, vermisst aber irgendwann die Musik und Partylaune in der Stäv und bricht so dann auch zu neuen Ufern auf.

Teil eins des verbliebenen Restes entscheidet sich für den Weg nach Friedrichshain, um die dortige Kneipenszene zu entern, Teil zwei will jetzt endlich Musik und Party und entscheidet sich daher fürs Qdorf. Auf dem Weg dahin geht uns Ludger abhanden, der Bekanntschaft mit der Linie U9 macht und später glaubhaft versichert, er habe auch einen schönen Abend gehabt. Im Qdorf dann zunächst ungläubige Blicke? Was ist das hier? Frischfleischtempel? Kinderdisco? Nuttenball? Hat von den anwesenden Jungs schon einer Haare am Sack? Jedenfalls reißen wir den Altersschnitt deutlich nach oben, vermutlich ist es mit dem Intelligenzquotienten ähnlich. Nach einem ersten Rundgang entscheiden wir uns für das Befriedigen des Voyeurismus und fröhliches Lästern, später dann entern wir die Schlagerparty – und nach einer gewissen „Anlaufphase“ bringt das Fliegerlied in kürzester Zeit den Raum zum Beben und endlich genau die Stimmung, die wir suchen…feiern bis zum Abwinken. Anspruchsloses mitgröhlen, feiern, tanzen, Spaß haben. Dabei stören auch die anwesenden Bremer nicht – die vom DJ eingeforderten Sangesduelle gewinnen wir jedenfalls um Längen. Die Vorfreude auf das Endspiel wächst und wächst schon jetzt. Gegen Mitternacht leert sich das Qdorf deutlich, offenbar lagen wir mit unserer Einschätzung des Alters der Gäste nicht allzu verkehrt. Schnell füllt es sich jedoch wieder mit Erwachsenen oder solchen die sich dafür halten…anyway, es ist ein verdammt geiler Abend! Irgendwann geht’s dann wieder zurück Richtung Heimat…und wir stellen fest, die Lage unseres Hostels haben wir super gewählt, wir können mit der S-Bahn durchfahren…am Hostel angekommen begegnet uns die Reisegruppe Friedrichshain – ebenfalls mittlerweile spürbar angeschlagen und fröhlich singend…“wir stehn auf Schwänze, wir stehn auf Busen, wir sind die Fans von Werder Bremen“… Passanten werfen uns verständnislose Blicke zu…ein letztes Bier vor der Tür und dann geht’s ab ins Bett.

Der Morgen nach einem solchen Abend verläuft, wie er in solchen Fällen so verläuft…langsames wachwerden, duschen, das pelzige Gefühl aus dem Mundraum entfernen und sich endlich wieder fühlen wie ein Mensch…eine unentwegte hat sich schon um 8 Uhr auf den Weg in die Stadt gemacht. Sightseeing Part two…das nenne ich Opfer bringen! Um die Mittagszeit führt der Weg dann wieder zur S-Bahn zurück und dann in die Stadt, der Breitscheidplatz ruft. Die Vorfreude auf den Abend ist spürbar, bereits jetzt kribbelt es gewaltig. Je näher wird dem Bahnhof Zoo kommen, umso mehr schwarz-rot sehen wir, stellen uns aber die Frage, wo denn eigentlich die Bremer sind. An der Gedächtniskirche finden wir sie dann endlich. Es gibt sie doch. Und es gibt Leverkusener. Jede Menge. Der ganze Platz wird dominiert von schwarz-rot. Eine tolle Atmosphäre. Einfallsreiche Verkleidungen, unendlich viele bekannte Gesichter, schon jetzt werden Sangesduelle ausgetragen, Fussballlieder gespielt, wieder einige Biere den Rachen hinunter gespült…man trifft sich, man tauscht sich aus und überall ist diese unbändige Vorfreude zu spüren…warum kann es nicht jetzt schon losgehen? Warum ist das Finale erst am Abend? Die Anspannung steigt.

Weil wir es schliesslich nicht mehr aushalten machen wir uns bereits vor der Abreise des großen Mobs auf den Weg zum Stadion. Auch dort das gewohnte Bild: es dominiert schwarz-rot. Am Himmel jedoch ziehen dunkle Wolken auf, es dominiert bald schwarz…der Weg führt uns daher ziemlich zügig ins Stadioninnere…und dort trifft es uns dann wie ein Schlag…die ganze Kurve rot…zunächst nur wegen der ausgelegten T-Shirts und Fahnen, aber bereits das ist ein beeindruckendes Bild. Das Frauenfinale läuft noch, aber der Bayerblock füllt sich bereits gut. Erste Fangesänge werden schon lange vor dem Spiel angestimmt. Die Finalteilnehmer bei den Damen erleben eine prickelnde Atmosphäre. Der Block füllt sich auf unserer Seite immer schneller, die Bremer aber glänzen durch Abwesenheit. Der Block bleibt leer. Dafür ist die Stimmung bei uns grandios. Schon jetzt, lange vor dem Spiel ist das Knistern förmlich zu spüren, es wird ein geiler Abend werden, ganz egal, wie das Spiel ausgeht…mit jedem Zuschauer mehr, der den Block entert, wird es ein wenig roter, ein unglaubliches Gefühl. Wahnsinn. Das sieht einfach nur geil aus. Es hört sich einfach nur geil an, was da los ist. Eine Eruption der Vorfreude. Kaum auszudenken, was passieren würde, sollten wir ein Tor schiessen…dass es später nicht so kommen würde…einerlei, es ist jetzt ohnehin nicht mehr zu ändern.

Die Zeit bis zum Spielbeginn wird knapper. Die offizielle Zeremonie beginnt. Die Bayer-Hymne wird gespielt, die Mavericks spielen zudem „Leverkusen“. Es ist beeindruckend laut. Nahezu alle Arme sind nach oben gereckt und haben Schals oder Fahnen in den Händen. Jeder singt mit. Pure Gänsehautatmosphäre. Man spürt, dass dieses Spiel etwas besonderes ist. Alles ist bereitet für einen tollen Abend. Bei der Bremer Hymne sind erstmals die grün-weißen zu hören, wenn auch nur kurz. Die Nationalhymne folgt. Was für ein Gefühl. Arm in Arm mit den Nebenleuten stehen wir da und schmettern sie lauthals mit. Und dann geht es endlich los. Es ist Finale. Das Spiel läuft, es wird ein aufregendes Spiel. Die Stimmung ist überragend, auch wenn wir zu Beginn heftig unter Druck geraten. Aber wozu haben wir Deutschlands besten Torwart im Kasten stehen? Souverän und überragend wie eh und je fischt er alles weg. Das könnte wieder so ein Tag wie auf Schalke werden damals…einmal treffen und den Rest macht dann René – die Chance zum Treffer kommt, doch Helmes versemmelt. So geht es dann mit einem 0:0 in die Pause. Es ist glücklich für uns, aber wen stört das? Die Stimmung ist nach wie vor überragend. Jeder zieht mit, alle ziehen an einem Strang. Jeder gibt alles. Die zweite Halbzeit beginnt. Nach einer Viertelstunde ist es dann leider zu spät…Adler kann einen abgefälschten Ball von Özil nicht mehr bekommen, es steht 0:1 – kurzer Schock, aber es ist ja noch eine halbe Stunde zu spielen. Die Mannschaft wird angefeuert, nach vorne gepeitscht. Auch wenn wir nicht wirklich gut spielen, ergeben sich immer wieder Möglichkeiten. Aber es ist zum Haare raufen, immer wieder kommen wir einen Moment zu spät, immer wieder erstickt die Vorfreude auf einen Treffer. Kurz vor Schluss wechseln wir, werfen noch einmal alles nach vorne. Vier Minuten Nachspielzeit. Ein Tor. Ein einziges Tor nur und wir haben die Verlängerung erreicht. Die Hoffnung ist noch da und anhand der Stimmung ist spürbar, welche Explosion durch unseren Fanblock gehen wird, wenn wir es schaffen.

Aber es kommt anders. Wir schaffen es leider nicht. Wieder sind es die andern, die jubeln dürfen, deren Spieler über den Rasen tollen und feiern. Wieder ist es der Trainer des Gegners, den man hochleben lässt. Auf unserer Seite das gewohnte Bild. Hängende Köpfe, Spieler, die auf den Rasen fallen und wo immer man hinschaut im Fanblock – tiefe Depression. Trauer allerorten. Fassungslosigkeit, dass es schon wieder nicht gereicht hat. Enttäuschung, Frust, Wut, die Gemengelage ist vielfältig. Man mag gar nicht mehr hinsehen. Die Siegerehrung geht wie in Trance vorbei. Manche von uns scheinen auf ihren Sitzen festgewachsen und stieren leer nach vorne, andere laufen umher, wieder andere zerstören alles, was sie in die Finger bekommen, viele schämen sich ihrer Tränen nicht, ich falle meinem besten Freund in die Arme und wir weinen einfach nur hemmungslos. Irgendwann komme ich dann auf der Treppe mehr oder minder zu mir, spüre aufmunternde Klapse, bekomme aber irgendwie nicht viel mit. Einige Zeit später, das Stadion leert sich, werde ich aus dem Block geschoben, irgendwie trennt sich der Fanclub, ein Teil bewegt sich zur S-Bahn, der andere strebt mehr oder weniger zielgerichtet der U-Bahn entgegen. Das Ziel ist klar: zurück zum Hostel. Keiner hat mehr Bock auch nur irgendwas zu machen. Bedröppelt, tieftraurig, schweigend geht die Fahrt durch die verschiedenen Bahnhöfe. Timo Röttger begegnet uns, ist „natürlich enttäuscht“, weil er „selbstverständlich Bayer“ die Daumen gedrückt hat. Wir betrachten die Bremer in der U-Bahn. Wir betrachten die Bremer am Bahnhof Zoo, wo wir in die S-Bahn wechseln, wir betrachten die Bremer in der S-Bahn…wer hat hier eigentlich das Endspiel gewonnen…gut, wir können es nicht sein, denn wir wissen, dass wir verloren haben. Aber wenn man sich die Bremer anschaut, kommt man auch nicht auf den Gedanken, dass Werder gewonnen haben könnte. Peinlich. Vielleicht das Bayernsyndrom? Schon zu erfolgsverwöhnt? Jedenfalls ein sehr merkwürdiges Bild.

Statt im Hostel treffen wir uns wieder bei unserem Dönermann Tarek. Diejenigen, die am Stadion direkt die S-Bahn genommen haben, sind längst da. Die Stimmung scheint ein wenig wie auf einer Beerdigung. Und doch tut es gut, wenn man spürt, dass man mit der Enttäuschung nicht alleine ist. Nach Döner und Bier begeben sich die Fahrer der Autos zurück ins Hostel, ein Teil jedoch beschliesst, seinen Frust völlig zu ertränken und entert wieder die Kneipenszene in Friedrichshain. Bei deren Rückkehr ins Hostel zeigt sich, dass das Ertränken funktioniert haben muss…nicht das Optimale, wenn man am nächsten Morgen 600 km vor sich hat, aber irgendwie geht auch diese Störung vorbei…so schnell wie die Nacht…der nächste Morgen kommt, das Frühstück ist mehr Notwendigkeit als Lust und die Stimmung ist nach wie vor gedrückt. Die ersten zwei der vier Autos machen sich recht bald auf den Weg…nur noch weg, ab nach Hause…es ist nur allzuverständlich. Wagen drei und vier lassen sich mehr Zeit, fahren deutlich später, haben aber letztlich das gleiche Ziel. Große Lust, noch etwas zu unternehmen hat niemand mehr, die erhoffte Feierlaune gibt es nicht, auch wenn wir Zeit haben und nicht zu einer Siegesfeier müssen, wollen wir jetzt zügig nach Hause. Und so streben wir dann eilig der Autobahn entgegen, machen auf dem Weg dorthin noch eine kleine Stadtrundfahrt an Berliner Mauer und Alex vorbei und werden Gottseidank auch nicht wesentlich von Staus aufgehalten, so dass wir am Nachmittag endlich wieder heimatliche Gefilde aufsuchen können. Wir verabschieden uns, gehen ein Stückweit traurig auseinander, aber auch in der Gewissheit, dass wir trotz allem ein verdammt geiles Wochenende mit unserem Fanclub erlebt haben, dass wir uns wohl in ihm fühlen und hoffen darauf, dass dieses Gefühl das ist, was irgendwann den Frust und die Enttäuschung ablösen werden, wenn wir zurückblicken auf dieses Wochenende, Ende Mai, Pfingsten 2009 in Berlin. Wir kommen wieder!

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